sepia – Mein Autismus in 500 Worten

Ein Problem beim Schreiben dieses Textes war, dass es mir, als ein medizinischer und psychologischer Laie, schwer fällt, mein Verhalten einem bestimmten Syndrom zuzuordnen. Ich denke, nicht jedes Persönlichkeitsmerkmal eines Autisten lässt sich auf Autismus reduzieren. Schreibe ich über mich selbst schreibe ich daher nicht notwendigerweise von Autismus.
Jedoch bin ich wohl in der Lage, einige meiner Verhaltensweise korrekt als autistisch zu deuten. Denn wenigstens kenne ich die Diagnosekriterien und viele andere Autisten.

Hochsensibilität
Bei mir ist vor Allem Hochsensibilität stark ausgeprägt. Viele Geräusche machen mich nervös und ich kann vieles nicht ertragen, was in unserer Gesellschaft allgemein akzeptiert oder gar gefordert wird. So musste meine Familie wegen mir 2 Wellensittiche hergeben, weil ich deren Gezwitscher nicht mehr aushielt. Und wenn ich ein Klavierkonzert im Rahmen meines Klavierunterrichts aufführe, bittet meine Klavierlehrerin das Publikum darum, nicht zu klatschen. Das ist sehr entgegenkommend und ein großer Teil des Publikums hält sich daran. Aber stellen Sie sich mal vor, Sie würden Geklatsche nicht ertragen: Bei praktisch jeder öffentlichen Aufführung wird geklatscht. Und jedes Mal steigt schon vorher die Angst vor dem Geräuschchaos und dem Lärm.

Mittlerweile habe ich mich etwas daran gewöhnt, aber es klappt trotzdem noch nicht ganz. Ich wünschte, wir hätten diese Geste gar nicht.

Kommunikation
Meine zweite Eigenschaft, die ich bei vielen Autisten sehe, ist, dass ich übers Internet weitaus besser kommunizieren kann, als im realen Leben. Dabei ist dieser Kontrast bei mir noch weiter ausgeprägt, als bei den anderen Asperger-Autisten, die ich kenne. Ich traf schon mehrmals andere Autisten bei Forentreffen (es gibt ja viele Selbsthilfeforen). Viele von ihnen können sehr geschwätzig sein, sodass häufig eine rege Diskussion über diverse Themen entsteht. Mir berichteten danach einige, dass sie überrascht seien, wie wenig ich gesagt habe. Nach meinen Beiträgen im Forum hätten sie mich anders eingeschätzt.

Zugegeben verstehe ich mich hier selbst nicht. Irgendwie fehlt mir oft die Motivation, spontan zu reden. Mir sind andere Leute oft zu egal und der Anstrengung nicht wert. Trotzdem war ich über mehrere Jahr Radiomoderator bei einem Lokalsender, sowie Vorjurymitglied und Reporter bei einem Jugendfilmfestival. Und noch heute nehme ich mich ab und zu beim Vortragen künstlerischer oder philosophischer Texte auf. Hier habe ich die Motivation, weil mich die Themen interessieren.

Spezialinteressen
Einige Autisten interessieren sich stark für spezielle Themen und können sich stundenlang damit beschäftigen. Bei mir ist es sehr etwa 10 Jahren das Thema Filme. Und damit habe ich einen großen Vorteil. Ich kenne Autisten, die nur ungerne über ihre Spezialinteressen reden, weil die Themen zu ausgefallen sind. Filme hingegen sind sehr beliebt und lassen sich leicht mit anderen Themen kombinieren.
Neben Filmen kann ich mich auch für andere Themen begeistern und bin oft zu viel mehr motiviert, als ich an einem Tag Zeit hätte. Beispiele dafür sind Kochen, Biologie, Planeten, Erkenntnistheorie, Poesie und natürlich Klaviermusik. Dennoch sind diese Interessen nicht so stark ausgeprägt, wie mein Interesse für Filme.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.

Alle Beiträge dieser Reihe kannst du hier nachlesen. Nähere Informationen zu dieser Reihe und dazu wie du dich beteiligen kannst findest du auf dieser Seite.

sepia ist Asperger-Autist und 24 Jahre alt. Wenn er mal was anderes als Gastbeiträge für mich schreibt, schreibt er hier und will dieses Jahr seine ersten Gedichte veröffentlichen.

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