Autismus? Asperger? Was mache ich jetzt nur?

Bei einem Blick auf die Aufrufstatistiken meines Blogs fällt auf, dass in den letzten Monaten zunehmend mehr Leute hierher finden, weil sie aus den unterschiedlichsten Gründen mit dem Verdacht konfrontiert sind, dass sie doch möglicherweise Autist sein könnten und nicht wissen, was sie nun mit diesem Verdacht anstellen sollen. Um diese Menschen nicht vollkommen allein in der großen weiten Welt von Google-Ergebnissen zu lassen, versuche ich hier nun sowas wie eine Checkliste zu bauen, die ein bisschen Orientierung liefert, was nächste Schritte sein können. Wichtig dabei ist allerdings, dass die Liste nur eine Richtlinie sein kann und je nach persönlichen Begebenheiten nicht strikt befolgt werden kann und sollte.

1. Ruhe bewahren

Zunächst gilt: Ein Verdacht macht noch keinen Autismus, Sie brauchen also noch nicht anzufangen, schon mal Behindertenparkplätze zu benutzen. Das spannende an Autismus ist, dass es in seinen Symptomen viele Überschneidungen zu anderen Störungsbildern hat. Das heißt, nur weil Sie selbst oder andere da Übereinstimmungen zu Ihnen sehen, heißt das noch lange nicht, dass Sie Autist sind. Und selbst wenn sich herausstellt, dass Sie es sind, ist das auch immer noch kein Untergang, denn wenn Sie bisher klarkommen, muss sich das kaum ändern, und wenn Sie bisher nicht klarkommen, wissen Sie nun woran es liegt.

2. Recherche

Diesen Schritt können Sie, je nachdem wie Sie auf die Diagnose gekommen sind, überspringen. Wenn Sie bei sich selbst den Verdacht sehen und das hier gegoogelt haben, werden Sie vermutlich in der Recherche weit genug gekommen sein, um eine halbwegs fundierte Überlegung für die nächsten Punkte zu schaffen.

Sind Sie durch andere Leute auf den Verdacht gekommen und haben keine Ahnung was Autismus eigentlich ist? Dann sollten Sie, bevor Sie irgendwas Weiteres überlegen, erst mal rausfinden, womit Sie es zu tun haben und ob die anderen überhaupt Recht haben könnten mit ihrem Verdacht. Dabei sollten Sie aber einiges beachten:

  • Es wird ein Haufen Mist geschrieben, insbesondere über die Ursachen oder die Therapieansätze, das heißt Sie müssen immer drauf achten, wo das was Sie lesen gerade herkommt. (Quellenkritik)
  • Es wird wahnsinnig viel geforscht, wenn Sie Quellen haben, sollten die tunlichst aktuellerer Natur sein.
  • Autismus ist ein Spektrum, das heißt nur weil Sie Dinge lesen, die bei Autisten vorkommen, die Sie nicht haben, heißt das noch lange nicht, dass Sie kein Autist sind. Nicht jeder hat alles.
  • Die Sache mit dem Spektrum bedeutet auch, dass Sie, sofern Sie Erfahrungsberichte anderer Autisten lesen, sich mitunter gar nicht darin wiederfinden müssen. Auch ich lese gelegentlich Texte von anderen Autisten, in denen ich mich nicht nennenswert wiederfinde.

3. Will ich eine Diagnose?

Dazu, ob man so eine Diagnose braucht, gehen die Meinungen weit auseinander. Einige Autisten sagen, dass man im Grunde auch prima ohne Diagnose leben kann. Das bedeutet aber auch, dass man nie sicher sagen kann, ob man Autist ist. Wenn Sie Hilfe und Nachteilsausgleiche brauchen und in Anspruch nehmen wollen, werden Sie um eine Diagnose kaum herum kommen.
Eine Diagnose ist allerdings auch von sich aus nicht frei von Nachteilen, so werden einige private Zusatzversicherungen teuer bis unmöglich abzuschließen und möglicherweise könnte es auch Probleme mit einer möglichen Verbeamtung geben. (Hier gilt: Informieren Sie sich, ich kann keine Angaben dazu machen, wo Sie mitgeteilt werden muss und wo nicht, und gebe dazu ausdrücklich keine Empfehlung ab.)

Die Überlegung, ob man eine Diagnose möchte, beziehungsweise braucht, ist eine verhältnismäßig komplexe Abwägung, allerdings sind die damit einhergehenden Nachteile begrenzt, da man sie, bis auf die oben erwähnten Ausnahmen, an sich nicht weiter beachten muss, wenn man sie hat. Man ist in der Regel nicht verpflichtet sie mitzuteilen, das heißt Sie können sie auch einfach in den Untiefen einer Schublade versinken lassen.

4. Wo kriege ich eine Diagnose und was passiert da?

Wenn Sie sich sicher sind, dass Sie eine Diagnose wollen, beginnt der Spaß erst richtig, denn nun müssen Sie jemanden finden, der in der Lage ist, diese Diagnostik fundiert und belastbar durchzuführen. Die Suche nach einem geeigneten Diagnostiker wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht einfach. Auch hier gilt: Informieren Sie sich, wo Ärzte sind, die sich darauf spezialisiert haben. Es gibt im Internet einige Listen mit Fachkräften. Neben offiziellen, wie dieser, gibt es auch noch informelle Listen, die mitunter auch Erfahrungsberichte zu den einzelnen Diagnostikern beinhalten. Um diese zu bekommen, lohnt es sich, in entsprechenden Foren zu suchen/nachzufragen. Wenn Sie einen finden, sollten sie mit großer Wahrscheinlichkeit Zeit mitbringen, da die meisten Stellen Wartelisten von größerem Umfang haben.

Die Diagnostik selbst besteht, sofern sie vernünftig gemacht wird, aus mehreren Terminen, mit Gesprächen und einigen Tests. Da es nur ein empfohlenes und kein standardisiertes Verfahren gibt, kann man dazu schwer was allgemeines sagen. Wichtig ist dabei aber zu sagen, dass sich ein guter Diagnostiker auf jeden Fall Zeit dafür nimmt, da sich in einer Stunde kaum eine fundierte Aussage treffen lässt. Zum Thema der Diagnostik habe ich übrigens auch mal einen Podcast aufgenommen.

5. Und nun?

Was Sie nun mit ihrer Diagnose machen, sofern Sie eine bekommen haben, liegt bei Ihnen. Was Sie damit jedenfalls nicht machen sollten, ist ihr komplettes Leben umstellen. Natürlich hilft so eine Diagnose, Dinge neu zu beurteilen und eventuell an einigen Stellen anders damit umzugehen, aber es sollte auch gelten, was bisher funktioniert hat, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch weiterhin funktionieren. Unabhängig davon was auf irgendwelchen Zetteln steht, sind Sie immer noch derselbe Mensch.

2 thoughts on “Autismus? Asperger? Was mache ich jetzt nur?”

  1. Puepue

    Das ist ein sehr sinnvoller Artikel – lese ich mir mirgen in Ruhe durch 🙂 Trotzdem schonmal danke dafür 🙂

  2. BloO

    Finde ich auch einen sehr schönen Artikel, gerade in Foren werden Fragen zu diesem Vorgehen ja immer sehr gern gestellt, nun bietet sich dieser Link ja an 😉

    Zu dem unteren Teil, mit dem Umstellen des Lebens. Ist richtig, bei allem was funktionierte. Da bei mir aber, gerade zum Schluß, einfach überhaupt gar nichts mehr funktionierte, kam ich leider nicht drum herum, das tun zu müssen. In dem Sinne kann es natürlich gut sein, wenn etwas nicht funktioniert, einfach mal zu schauen, wie andere das so machen, das für sich ausprobieren und wenn es klappt, dies dann mit aufzunehmen.

    Viele Grüße =)

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